Manchmal macht es mir wirklich Angst, wie schnell alles zunichte gehen kann.
Vor zwei Jahren war ich das erste Mal auf einem kleinen Festival, beim Rocken am Brocken. Wir waren eine bunte Truppe und hatten viel Spaß, obwohl es mehrfach in Strömen regnete, als wenn die Welt unterginge. Die Acts waren klasse und am Freitag konnte man sogar von Sommer reden. Alles in allem hatte ich eine tolle Zeit.
Natürlich haben wir alle in einem gemeinsamen Lager geschlafen und die Nächte waren lang und ausgelassen. Es floss Bier in Strömen und ich war gefühlt die einzig Nüchterne auf dem gesamten Zeltplatz. In der letzten Nacht versuchte ich möglichst viel zu schlafen, weil ich am nächsten Tag wieder heil nach Hause kommen wollte.
Doch daraus wurde nichts. Sobald ich die Augen aufschlug, wurde mir so schlecht, dass ich verzweifelt mein Zelt verließ und in den Wald stürzte, um mich zu übergeben. Ich hoffte, dass es danach besser werden würde, doch ich hatte mich geirrt. Den gesamten Vormittag hing ich in einem Campingstuhl und versuchte, mich möglichst nicht zu bewegen, aus Angst, mir würde wieder alles hochkommen. Meine Freunde waren so nett, mein Zeit für mich abzubauen, aber mir wurde eins klar: So würde ich keine zwei Stunden Autofahrt überleben können. Ein neuer Plan musste her.
Zu meinem Glück wollten zwei der Truppe in eine Stadt nicht weit weg und hatten kein Auto. Also bot ich ihnen mein Auto an, als Gegenleistung für einen Fahrer und Unterkunft für eine Nacht. So kam es dazu, dass ich erstmals jemand anderes an das Steuer meines geliebten, wenn auch uralten und lädierten Autos ließ und ich eine Nacht bei meinem Exfreund verbrachte. Im Nachhinein fiel mir auf, dass unser Fahrer definitiv noch nicht wieder nüchtern war, zum Glück ist alles gut gegangen. Während der Fahrt hing ich mit dem Kopf halb aus dem Fenster und bei jeder Kurve durch den Harz wurde mir elender. Alleine hätte ich keinen Meter geschafft.
An der Stelle, falls ihr beide das hier lest, nochmal Danke, ich hätte sonst wahrscheinlich auf dem Parkplatz im Auto übernachten müssen oder so. Obwohl der Strafzettel für’s Falschparken vielleicht nicht hätte sein müssen…
Den gesamten Nachmittag lag ich halb im Delirium auf dem Sofa, während im Hintergrund Kinderfernsehprogramm lief, um mich abzulenken und zu beruhigen. Irgendwann konnte ich wenigstens wieder Tee trinken und mich aufsetzen, deswegen war ich optimistisch die Nacht zu überstehen, auch wenn ich immer noch weit davon entfernt war, mich gut zu fühlen.
Abends hatte mein Exfreund gemeinsame Freunde eingeladen und es war eine entspannte Runde die sich um mich auf dem Sofa versammelte und meine Laune deutlich anhob, auch wenn ich immer wieder einschlief und auch früh ins Bett ging. Ich hoffte sehr, dass ich am nächsten Morgen wieder in der Lage sein würde, normal durch den Tag zu kommen und nach Hause zu fahren.
So war es zum Glück auch. Beim Aufwachen fühlte ich mich schon deutlich besser, nur Essen wollte ich noch nichts, sondern blieb bei Tee. Als ich in den Spiegel sah, bemerkte ich, dass das Weiße in meinen Augen einen leichten Gelbstich bekommen hatte. Das beunruhigte mich, da es bedeutet, dass etwas mit meiner Leber nicht in Ordnung ist. Doch das passiert öfter, also hoffte ich, dass es bald wieder verschwinden würde. Ich packte meine Sachen und setzte mich hinters Steuer.
Bevor ich nach Hause fuhr, war ich mit Felix verabredet. Wir hatten mal wieder Streit wegen irgendwas und wollten schon den Tag zuvor alles zwischen uns klären, deswegen konnte ich nicht gleich wieder fahren, auch wenn offensichtlich etwas mit mir nicht stimmte. Felix und ich haben uns öfter in den Haaren, aber können uns niemals lange böse sein. Und so saß ich schon bald in seinem Auto und wir quatschten über alles mögliche, was in den letzten Tagen passiert war. Dabei warf ich einen erneuten Blick in den Spiegel und erschrak. Meine Augen waren knallgelb geworden, innerhalb weniger Stunden! Selbst meine Haut nahm einen gelblichen Ton an und ein Jucken hatte sich über meine Körper ausgebreitet, ein weiteres Zeichen für Probleme mit der Leber.
Besorgt verabschiedeten Felix und ich uns voneinander und ich fuhr zurück nach Hause. Sobald ich das Auto verließ, konnte ich nicht mehr aufhören, mich am ganzen Körper zu kratzen. Als ich mein Spiegelbild erblickte, war mir klar, dass ich keine andere Wahl mehr hatte. Ich rief meine Mutter an und erzählte ihr alles, bevor ich mich wieder ins Auto setzte und direkt in die Notaufnahme fuhr. Da meine Mutter dort als Krankenschwester arbeitet, wartete sie dort schon auf mich, nahm mich als Patientin ins System auf und brachte mich in den Schockraum. Und schon lag ich auf der Pritsche, mit einer Nadel im Arm, durch welche Cortison und Antihistamine in meine Vene strömten. Die Antihistamine wirkt gegen Juckreiz und das Cortison schützt die Leber. Eine Nebenwirkung ist allerdings eine starke Müdigkeit, gegen welche ich mit aller Kraft ankämpfte, ich war viel zu besorgt, um schlafen zu wollen.
Nach einer Weile kam meine Mutter wieder zu mir, um zu schauen, wie es mir ging. Inzwischen fühlte ich mich viel besser, da der Juckreiz verschwunden war und meine Blutwerte da waren. Offenbar hatte ich mir einen Infekt oder ähnliches eingefangen, welches meine Werte durcheinander gebracht hatte. Da die Infusion wirkte, durfte ich nach Hause. Am nächsten Tag ging ich zu meinem Hausarzt und ließ die Werte erneut überprüfen. Sie normalisierten sich bereits und meine Angst legte sich. Diese drei Tage waren unglaublich anstrengend und nervenaufreibend, da ich nicht wusste, was genau der Auslöser war und herausgefunden haben wir es auch nie. Wahrscheinlich hatte ich mir irgendwo einen Keim eingefangen oder etwas gegessen, was nicht mehr hundertprozentig gut war oder etwas ähnliches.
Aber dieser Vorfall zeigt wieder, wie labil meine Gesundheit doch immer noch ist und wie dankbar ich immer wieder dafür sein muss, wie gut es mir durch die Transplantationen geht. Ich muss ständig auf mich achtgeben und im Zweifel entschlossen handeln. Nichts davon ist selbstverständlich und so darf ich es auch nicht betrachten. Allerdings ist das nicht nur bei einer Transplantation so, sondern bei jedem Menschen. Gesund zu sein ist das Wichtigste im Leben, was wir aber viel zu oft vergessen, einfach weil wir daran gewöhnt sind. Aber es braucht manchmal nicht viel, um uns wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen.
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Man muss eben immer auf seine Gesundheit achten.
Liebe Gruesse
Monika
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