Als „Mensch mit Makel“ hat man immer auch einen Blick für Menschen in ähnlichen Situationen. Vor einigen Jahren habe ich dann „Projekt Grenzenlos“ auf Instagram entdeckt und ihre Botschaft hat sofort etwas in mir in Bewegung gesetzt:
Schönheit ist grenzenlos, und es spielt dabei überhaupt keine Rolle, ob man nicht perfekt in das gesellschaftliche Ideal passt. Ob das nun durch einen künstlichen Darmausgang, eine Pigmentstörung oder Operationsnarben ist. Ich habe das Projekt verfolgt, Menschen mit einer ungeheuren Stärke gesehen und mir immer gedacht: das würde ich auch so gern mal machen. So echt wie ich bin vor der Kamera zu stehen.
Und plötzlich ist es wirklich wahr geworden. Saskia, die dieses tolle Projekt ins Leben gerufen hat, hat nach organtransplantierten Menschen gesucht, die sich von ihr fotografieren lassen wollen, am schönsten wäre es, wenn sie ihre Spender kennen. Sofort habe ich geschrieben: Hier, ich! Und ich kenn‘ die, das sind mein Onkel und mein Papa!
So kam das Ganze ins Rollen und ich habe es tatsächlich geschafft, die beiden Männer dazu zu überreden, dass sie sich zusammen mit mir vor die Kamera stellen. Schneller als gedacht saßen wir dann im Auto auf dem Weg nach Bonn. Eine Nacht haben wir im Hotel verbracht, um am nächsten Morgen zu Saskia zu fahren, wo ich von der lieben Olga aufgehübscht wurde, während mir Saskia die Haare gemacht hat.
Danach hatte ich echt Nackenschmerzen. Wer schön sein will und so…

Und dann ging es los: Ich verfrachtete die drei Kubikmeter Rock ins Auto und wir fuhren ein kleines Stückchen bis zu einer Kirche. Davor standen drei wunderschöne Magnolienbäume in voller Blüte. Beziehungsweise waren sie schon etwas verblüht, wodurch der gesamte Boden mit rosa Blütenblättern bedeckt war, was sogar noch schöner aussah.

Die Location und mein Outfit waren so verträumt-mädchenhaft wie in einem Prinzessinnen-Film und zuerst etwas ungewohnt für mich. Aber ich war bereit, für alles offen zu sein und wusste einfach, dass die Ergebnisse toll werden würden. Und ich hatte Recht.


Zum Glück war ich durch Christian schon ein bisschen daran gewöhnt vor einer Kamera zu stehen und hab mich deshalb (hoffentlich) nicht wie eine komplette Anfängerin verhalten. Aber Saskia hat es mir wirklich leicht gemacht, mich in der Situation nicht zu verkrampfen und deswegen habe ich mich auch nicht unwohl gefühlt, als ich meine Bluse auszog und mein Körper im Mittelpunkt stand.

Es ging alles so schnell, dass ich gar nicht wusste, welche Fotos wir jetzt eigentlich alles gemacht hatten. Und als es auf einmal vorbei war, sind wir von der Märchen-Kirche zu McDonalds gefahren.
Tja, ich hatte zwar spontan beschlossen kein Fleisch mehr zu essen und Olga ist Veganerin. Aber hey! Es war in dem Moment wirklich ziemlich witzig in dem 5-Meter-Rock in einem Fast Food Laden zu stehen.


Aber da wir einen langen Heimweg hatten, war es dann auch schon wieder Zeit, sich zu verabschieden. Schneller als ich gucken konnte hatte ich also statt des Prinzessinnen-Rocks wieder meine Jogginghose an und die wallende Lockenmähne mit einem Haargummi zerstört. Oh und das Doppelkinn ist natürlich auch immer noch dabei.
Aber: Der Tag war noch lange nicht vorbei. An genau diesem Samstag war ich auf dem Titelblatt der Welt zu sehen, wie ich über das Thema Organspende und meine Transplantationen rede! Wir haben bestimmt an 7 Läden angehalten und überall war die Zeitung vergriffen oder wurde gar nicht erst verkauft. Das war unglaublich frustrierend. Schließlich waren wir an dem Rastplatz angekommen, von dem aus mein Onkel in eine andere Richtung nach Hause fahren würde und mein Papa sagt mir, dass er auch hier kein Glück hatte. Doch mein eigener Vater hatte mich eiskalt belogen. Er hatte es geschafft, das letzte Exemplar zu ergattern und ich hab gegrinst wie ein Honigkuchenpferd.

Als wir dann endlich in der Heimat angekommen waren, ging ich mit meiner Mutter zu Abend essen, und schließlich endlich nach Hause, wo ich mich mit einem Podcast in die heiße Wanne legte. Ich genoss es so sehr, eine Weile nicht nach zu denken, sondern nur die Hitze auf meinem müden Körper zu spüren. Und als ich vor dem Einschlafen mit Christian telefonierte, bat ich ihn, den heutigen Tag vom Gespräch erstmal auszuklammern. Ich wusste gar nicht, wie ich ihn einordnen sollte.
Es brauchte einige Tage, bis mir so richtig klar wurde, was eigentlich geschehen war:
Es hat 22 Jahre gedauert, bis ich mich als die Königin meines eigenen Körpers fühlen konnte.

PS: Wenn ihr mehr über Projekt Grenzenlos erfahren wollt, schaut doch mal hier vorbei:
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Instagram: https://www.instagram.com/projekt.grenzenlos/
Saskia: https://www.instagram.com/liebesklang/
Olga: https://www.instagram.com/olgamntlr/
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