Vorab: Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt über dieses Thema schreibe, um keine falschen Informationen zu begünstigen. Ich bin schließlich zu dem Schluss gekommen, dass es die auch ohne mein Zutun zur Genüge geben wird, aber an dieser Stelle noch einmal der Hinweis: Meine Reaktion auf die vierte Corona-Schutzimpfung hatte viele verschiedene Auslöser und Faktoren und sagt absolut nichts über die Sicherheit des Impfstoffes und dessen übliche Nebenwirkungen aus! Im Gegenteil, ist viel wichtiger zu bedenken, wie der Schutz von Risikogruppen auch zukünftig weiter verbessert werden kann, u.a. durch Impfungen. Wenn ihr nach seriösen Informationen zu den Corona-Schutzimpfungen sucht, schaut bitte hier:
Corona-Impfung: Die wichtigsten Fragen und Antworten | Bundesregierung
Tag 0
Montag: tausend Dinge, die ich tun will und muss, sollte und doch nicht werde. Aber zuerst: Ab zum Arzt, den Reha-Antrag abholen. Der liegt da immerhin schon seit Dezember und wenn er jetzt endlich ausgefüllt ist, kann ich das Prozedere mal anstoßen. Wird eh noch lang genug dauern.
Kaum wieder zu Hause, merke ich, dass das Telefon klingelt. Die Praxis. Stimmt etwas mit den Unterlagen nicht? Immerhin haben sie es schon drei mal probiert. Aber nein: “Frau Jung, wir haben Impfdosen übrig, wenn Sie heute Nachmittag kommen könnten, bekomme Sie so Ihre vierte Impfung.” Ich sage zu. Ich bin alles andere als begeistert. Bisher hatte mich jede der Impfungen einen ganzen Tag umgehauen. Mit jeder weiteren war es heftiger geworden, besonders der Booster war unangenehm gewesen. Doch immerhin hatte ich den auch zusammen mit der Grippeschutzimpfung bekommen, also vielleicht lag es ja auch an der Kombi.
Und im Endeffekt sind meine Befindlichkeiten auch völlig egal. Ich brauche diese Impfung, denn sie ist das einzige, was mich schützen kann. Nun, wo es die ersten Aussagen zum Thema “alle-Beschränkungen-fallen-lassen-gibt” erst Recht. Also immer rein das Zeug.
Das Impfen selbst ist so unaufregend wie eh und je, gemeinsam mit der Schwester rege ich mich noch kurz über die Corona-Leugner auf, aber eigentlich bin ich das Thema so leid, dass ich nur noch nach Hause will. Dort angekommen heißt es für mich: Hallo Sofa und Animal Crossing, wir werden morgen sicher gute Freunde sein! Der Arm tut inzwischen etwas weh, aber das war ja zu erwarten.
Tag 1
Ich wache mit einem komischen Gefühl im Bauch auf. Mir ist, als sei ich noch niemals so durstig gewesen, aber der Gedanke, etwas zu trinken klingt alles andere als verlockend. Also lieber vorsichtig anfangen und einen schönen Tee kochen. Ich bin allein zu Hause und verkrieche mich direkt wieder auf dem Sofa, unter drei Decken, da ich inzwischen auch friere und Gliederschmerzen habe. Alles, genau wie ich es erwartet habe. Doch der Tee hilft nicht, im Gegenteil, mir wird übel und ich muss mich übergeben. Ich hoffe, dass es jetzt besser wird und versuche etwas gegen Übelkeit und Schmerzen zu nehmen. Doch ich habe mich geirrt, es wird eher schlimmer. Jetzt kommt der Punkt, an dem ich doch lieber nicht mehr allein wäre und ich schreibe Christian eine vorsichtige Nachricht, ob er nach Hause kommen kann, wenn er seine Prüfung beendet hat. Eine halbe Stunde später rufe ich ihn an, ob er sofort los kann. Ich muss mich so elend angehört haben, wie ich mich fühlte, denn kurz darauf stürzt er in die Wohnung, sichtlich in Sorge. Anscheinend sehe ich auch nicht viel besser aus, aber ich bin unglaublich dankbar, dass er da war und mir wenigstens mit kleinen Dingen helfen konnte, wie mir eine Wärmflasche zu machen und einfach da zu sein.
Wir sind etwas ratlos, was wir jetzt tun sollen. Dass ich von der Impfung angeschlagen sein würde hatten wir erwartet, aber nun konnte ich seit Stunden nicht aufhören mich zu übergeben. So konnte ich auch nicht in die Arztpraxis, aber wegen Erbrechen in die Notaufnahme zu fahren ist auch etwas übertrieben. Christian ist schließlich ohne mich in die Praxis gefahren, damit ein Arzt kommt, um nach mir zu sehen. Das wird ihm auch so zugesagt, aber aus dem Besuch wird ein Telefonat mit mir (ich, immer noch ständig am spucken, kann kaum einen verständlichen Satz bilden, keine Ahnung, was dabei herauskommen soll), schließlich empfiehlt sie mir Wadenwickel gegen das Fieber. Ich bin sauer, aber zu fertig, um mich wirklich aufzuregen. Schließlich hört die Übelkeit irgendwann auf und ich kann den Rest des Tages verschlafen.
Tag 2
Eigentlich sollte es jetzt besser sein, das war es die letzten Male. Aber ja, genau: Eigentlich. Ich habe immer noch Fieber, Schmerzen und fühle mich matschig, immerhin habe ich jetzt Medikamente dagegen. Wieder liege ich auf dem Sofa rum, im Hintergrund läuft eine Serie, die ich schon tausendmal gesehen habe, nur damit ich Hintergrundgeräusche habe. Die Therapie-Sitzung sage ich ab, allein der Gedanke, die Wohnung zu verlassen ist albern.
Am Nachmittag kommt eine Freundin vorbei, damit Christian ihr etwas für die Uni erklären kann. Ich muss ein erbärmliches Bild abgegeben haben: blass, verschwitzt, Augenringe ohne Ende, eingewickelt in eine dicke Decke und alle paar Minuten im Tiefschlaf, als hätte ich Narkolepsie. Am Morgen hatte Christian mir helfen müssen, weil ich zu schwach war, meine Haare selbst zu föhnen. Habe ich schon einmal erwähnt, dass er der beste Mann auf der Welt ist?
Abends dann ein erster großer Erfolg: Ein Löffel Kartoffelbrei zum Abendessen.
Tag 3
Jetzt muss es aber endlich besser sein, zwei Tage Fieber sind dann auch Mal genug. Das Fieber ist auch gar nicht das Problem, sondern der Juckreiz. Über Nacht hat mein Bauch angefangen zu jucken, direkt an der Narbe. Was gemein ist, denn genau dort, kann ich wenig bis gar nichts fühlen. Als mein Bauch bei der Transplantation geöffnet wurde, wurden auch alle Nerven durchtrennt. An sich nicht so schlimm, außer wenn es ausgerechnet da jetzt juckt.
Aber das größere Problem dabei ist, dass der Juckreiz von der Leber zu kommen schien. Das ist eigentlich keine große Überraschung, denn die Leber ist das größte Entgiftungsorgan, alle Stoffe, die dem Körper zugeführt werden, werden über die Leber verstoffwechselt. Wenn die Impfung für meinen Köper so krass gewesen war, wieso dann nicht auch für die Leber? Nun aber schon wieder das Problem: Was machen wir jetzt? Es ist inzwischen so spät am Tag, dass die Blutwerte erst morgen im Labor landen würden, also ist das etwas witzlos. Notaufnahme? Inzwischen steht etwas mehr auf dem Spiel, als ein bisschen Fieber und Übelkeit. Aber und das ist ein großes Aber, das für chronisch Kranke seit zwei Jahren eine große Rolle spielt: Geht es mir wirklich so schlimm, dass ich mich einer möglichen Infektion aussetzen will? Wenn irgendwo Corona auf mich wartet, dann ja wohl im Krankenhaus. Also muss ich mir wirklich sicher sein, dass es wirklich nicht anders ging. Eine schwierige Entscheidung, die nicht allein ich treffen müssen sollte.
Schließlich nehmen wir den Mittelweg: Der ärztliche Notdienst. Ich sitze im Wartezimmer mit nassen Socken in den Schuhen. Der Juckreiz ist inzwischen auch an den Füßen, ein ganz typisches Zeichen für ein Problem der Leber. Mit einem Kühlakku reibe ich mir über Arme und Beine, die vom Kratzen schon ganz rot und fleckig sind. Meiner Meinung nach ist Juckreiz viel fieser als Schmerz. Als ich dran bin, schaut mich die Ärztin kaum an und verschreibt mir schließlich Cortison in Tablettenform. Ich hatte auf eine akute Spritze gehofft, aber nun gut. So würde es eben noch ein paar Tage länger dauern, bis die Wirkung einsetzt. Whatever.


Tag 4
Und jetzt wird es ganz verrückt, denn es ist der 50. Geburtstag meiner Mutter! Aus irgendeinem Grund hat man nämlich immer etwas schönes vor, wenn man so richtig krank ist. Doch ich habe schließlich schon ganz anderes geschafft und hab jetzt auch keine Lust mehr auf den ganzen Mist, also packt Christian unsere Sachen und wir fahren in die Heimat.
Und weil Mama verständlicherweise nicht den ganzen Tag zu Hause rumhängen möchte, machen wir einen Ausflug in den Harz. Ich muss im Auto die Schuhe ausziehen, damit meine Füße kalt werden und nicht allzu sehr jucken, im Restaurant habe ich wieder nasse Socken in den Schuhen, aber ich merke auch, wie gut es mir tut, bei meiner Familie zu sein.
Tag 5 – 7
Juhu! Das Cortison wirkt! Nicht gegen die Milbenallergie, die mir am diesem Morgen ins Gesicht geschrieben steht, aber immerhin. Ich kann noch etwas Zeit mit meiner Familie verbringen, bin aber sehr erschöpft und froh, als wir wieder nach Hause fahren. Die Cortisonstoßtherapie ist nun schon wieder vorbei, ich merke inzwischen nur noch ein leichtes Kribbeln, wenn meine Haut warm ist. Als wir wieder zu Hause sind, merke ich jedoch die vielen unschönen Nebenwirkungen des Cortisons: mein Blutzucker spielt verrückt, ich bin unwahrscheinlich unruhig und gleichzeitig todmüde. Ich mache nach dem Aufstehen das Bett und muss mich danach für zwei Stunden hinlegen. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit habe, mich auszuruhen und so langsam wie möglich wieder meinen Alltag aufzunehmen. Aber inzwischen kreisen meine Gedanken mehr und mehr:
Das war nun also meine Reaktion auf die vierte Impfung. Ich war früh dran, sie zu bekommen, aber sie wird für Risikopatient*innen allgemein empfohlen. Was kommt nach der vierten Impfung? Eine fünfte? Und wenn ja, für wen? Auch nur für Risikopatient*innen? Mich betrifft sie vermutlich so oder so. Wie kann ich das dann wegstecken? Gleichzeitig wird vom Wegfallen jeglicher Maßnahmen gesprochen: Was bedeutet das für mich? Bisher hatte ich jegliche Maßnahmen für mich noch einmal extra verschärft. Wenn jetzt alle “aufeinander los gelassen werden”, wie werden sich die Zahlen verhalten? Wird man das überhaupt noch wissen, wenn es kein Testpflicht mehr gibt? Und wie sollen Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko jetzt geschützt werden? Bei all den Lockerungsvorschlägen, habe ich dazu irgendwie noch gar nichts gehört.
Es bleibt mir wohl mal wieder nichts anderes zu tun als abzuwarten und Tee zu trinken.


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